Matthias Hintner

Im Gedenken an

Matthias Hintner

verstorben am

† 21.06.2017

Über den Trauerfall (2)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Matthias Hintner, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Matthias Hintner

30.06.2017 um 12:48 Uhr von VRS Media
 

Ein Lebenslauf von Matthias Hintner,
verfasst und verlesen von seiner Tochter Heidi Hintner
bei der Verabschiedung in der Pfarrkirche St. Gertraud in Haslach/Bozen
am 27. Juni 2017


Der plötzliche Tod ist für die Hinterbliebenen ein Schock. In der alten Tradition galt der „plötzliche“ Tod als Gnade. Ohne Ankündigung steht also Gevatter Tod auf einmal da und sagt: „So, jetzt komm mit!“ Gnade also. Dieser Gedanke ist hilfreich.


Ich denke, Tatta hätte eine Freude und auch eine gute Portion Vaterstolz, wenn ich von seinem Leben zwischen Gsies, Bozen und Toscolano am Gardasee – am Gardameer, wie wir
in der Familie immer sagten – kurz erzähle. Deswegen mache ich das jetzt hier und hoffe, dass ich gut durchkomme.


Eine Sprache für den Schmerz finden und dadurch ein Recht herstellen, auch das Recht der Schwäche. Ich danke, dir Tatta, für deine Nähe, deine Präsenz, deine Herzlichkeit, sie war
gut. Sie war Stärke. Auch wo sie leise war.


Saluto anche gli amici di papà di madrelingua italiana che sono venuti da Toscolano e quelli
di Bolzano ringraziandovi di cuore per la grande vicinanza. So che avete apprezzato la gentilezza, la simpatia e la discrezione di papà. Era una persona molto speciale che aveva sempre una buona parola e un sorriso per tutte e tutti. Grazie di essere qui. Adesso racconto
episodi importanti della vita di Matthias.


Matthias Hintner wurde am 9. Februar 1938 in St. Magdalena/Gsies als sechstes Kind geboren. Er hat drei Schwestern und zwei Brüder. Seine Mutter war Maria Huber; sein Vater Johann Hintner starb, als er zwei Jahre alt war. Die Mutto, eine junge Witwe, brachte ihre
sechs Kinder und den großen Kradorferhof mit der vielen und harten Arbeit gut weiter. Sie war fürsorglich und weitblickend und hatte für all ihre Kinder ein Sparbüchlein in Welsberg angelegt.


Tatta erzählte immer von einer schönen Kindheit in Gsies, vom Kiahhiatn mit Willi, davon, dass ihm die Katzn und Notscha nachgelaufen sind – er mit der Ziehorgel überm Buggl – er
erzählte von der Arbeit auf der Alm, der Zeit mit den Onkeln auf der Alm, auch vom Alleinsein dort oben, von seiner Angst als Kind vor Gewittern. Aber da gab es nichts: Er musste auf die Alm. „Bui, du musch la gian!“ sagte die Mutter. Butter und Käse machen, dem
Vieh nachlaufen, über Stock und Stein springen. Heuarbeiten.


Tatta besuchte bis 14 die Schule in St. Magdalena und war ein guter Schüler. In jungen Jahren brach er sich beim Viehhüten den Oberschenkelknochen, musste lange auf Hilfe und
Rettung im steilen Gelänge bei Regen warten und dann von der Alm, ins Tal, ins Dorf und dann nach Innichen gebracht werden, wo er zwei Monate mit Gewichten am Bein im Krankenhaus lag. Eine lebenslange Steifigkeit, die sich im Alter noch besonders bemerkbar
machte, war die Folge dieser schweren Verletzung.


1957 war er in Burgeis auf der Fürstenburg und besuchte einen Winter lang die landwirtschaftliche Schule, 1958 belegte er in Brixen einen theologischen Kurs. Als Jüngster hätte er Priester werden sollen, dazu fehlte ihm allerdings die Berufung. Die Sommer verbrachte er immer in Piddig auf der Alm. Dazu gibt es viele schöne Geschichten…


Wie Tatta von Gsies dann nach Bozen kam, ist eine besondere Geschichte und für seine Zeit eine völlig ungewöhnliche. Eine Migrationsgeschichte, die Mut und Offenheit erforderte.


1960 machte er den Wettbewerb bei der Stadtpolizei in Bozen – das muss für den jungen Gsiasa Bui sicher nicht einfach gewesen sein, in die große Stadt zu fahren, niemanden zu kennen, kaum Italienisch zu sprechen, ohne Bezugspunkte und Vorbilder zu sein. Er machte also die schriftliche Prüfung – das Thema konnte er gut bewältigen, weil es seinen Interessen entsprach: Wirtschaft und Tourismus in Südtirol. Und dann fuhr er zurück nach Gsies, auf die
Alm. Und weil der Brief mit der Einladung zur mündlichen Prüfung dort nie ankam, fragte er öfters bei der Mutto nach, … doch diese wusste nichts von einem Brief. Sie wollte ihren Jüngsten nämlich nicht ziehen lassen und hatte den Brief zurückbehalten. Tatta blieb
hartnäckig, bis die Mutter schließlich nachgab und den Brief aus ihrer Schürzentasche zog und ihn Tatta übergab.


Im Brief stand das Datum der mündlichen Prüfung in Bozen: Es war der darauffolgende Tag. Tatta fuhr also ohne weitere Vorbereitung sofort in die Stadt, die Mutto gab ihm das Sparbuch und ihren Segen mit, und er absolvierte eine gute Prüfung, die er als einziger
Deutschsprachiger bestand. Sein Italienisch war zwar noch schwach, „però lo imparerà!“, sagte der Commandante, der ihn förderte und bald auch sehr schätzen lernte.


Für zwei Monate wohnte Tatta in einem Zimmer in der Silbergasse, dann mietete er sich ein Zimmer in Quirein, nahe der Talfer, in die er in der Mittagspause auch gerne zum Abkühlen ging. In der Gummergasse in der „Cucina Bolognese“ ging er regelmäßig zum Mittagessen; dort machte er auch die ersten Bozner Bekanntschaften, knüpfte Freundschaften, die bis zu
seinem Tod anhielten.


Tatta hatte als einer der Ersten in Gsies ein Auto: einen blauen Fiat 750er, gekauft im Februar 1963. Da war er 25 Jahre alt. Die erste längere Fahrt ging in den Süden: gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Hansl und Otto fuhr er nach Venedig. Eine Spritzfahrt in die
Serenissima.


Ich erinnere mich an den roten VW Käfer, der dann später kam, als er schon seine eigene Familie gegründet hatte. Wir vier hatten eine starke Bindung und Beziehung. Ich schöpfe aus der Kraft, die mir mein Tatta und meine Mama gaben. Durch ihren Tod ist etwas von mir mit ihnen gegangen.


1965 lernte er unsere Mama in Rimini kennen, wo er mit einem Freund und dessen Freundin aus Niederdorf, die wiederum mit ihrer besten Freundin Luise dort war. Am Meer sprang zwar der Liebesfunke noch nicht über, aber bald danach. Die beiden heirateten 1967 und zogen in die Südtirolerstraße, wo sie ihr Heim einrichteten. Unsere Eltern verband eine tiefe Liebe, getragen von gegenseitigem Respekt und großer Wertschätzung. Mit Zuwendung und Hingabe war er Mama in ihrer schweren Krankheit nahe und begleitete sie liebe- und würdevoll bis zu ihrem Tod 2003.


1976 zogen sie nach Haslach, wo Tatta mit Viktor Gagliardi, unserem Nachbarn, der das Sterbelicht am Friedhof tragen wird, eine der treibenden Kräfte war, um den Aufbau des Kondominiums „Un Tetto/Ein Dach“ anzugehen (Viktor war Präsident und Tatta Vizepräsident): 12 deutsch- und italienischsprachige Familien unter einem Dach vereint. Das war ihm sehr wichtig. Über 40 Jahre solidarischer Zusammenhalt.


Ich erinnere mich an eine schöne Kindheit und Jugend hier in Haslach, in unserem Kondominium gab es Feste und Feiern, wir teilten Schönes und auch Trauriges. Tatta trainierte bei Mini-Volley achtjährige Kinder, hatte eine Leidenschaft fürs Schifahren, die er
auch Pauli weitergab. Stundenlang konnte er in der Garage Schi waxlen und sich der Pflege der Bretter hingeben. Seine Liebe zum Kartenspiel hielt bis zu seinem plötzlichen Tod am Gardasee, der uns alle überrascht und tief betroffen gemacht hat.


Tatta war außerdem Gärtner aus Leidenschaft: Er pflegte viele Jahre den Garten in Haslach, verbrachte viele Stunden beim Beregnen, Blumensetzen, Zäune- und Bäumeschneiden.


20 Jahre lang war er bei der Stadtpolizei und fast ebenso lang bei der Lebensmittel- und Marktpolizei. Er hatte den Ruf, ein strenger und gerechter Polizist zu sein, auch hilfsbereit und genau. Immer pünktlich, zuverlässig, verantwortungsvoll. „Poche parole, fatti.“ So
lautete einer seiner Sprüche.


1998 ging er in Pension und erfüllte sich mit Mama den Wunsch nach einer Wohnung am Gardameer. Gemeinsam konnten sie nur vier Jahre ihr Paradies zwischen Zypressen, Bergen und See genießen. Sonne, Bocciaspielen, schwimmen, bianchetto trinken, lachen. Gemeinschaft pflegen, Freundschaft leben. Als Witwer fuhr er auch regelmäßig dorthin und genoss die südliche Sonne, die Freundschaft mit dem Ehepaar Maridl und Luis Haller, das
Kartenspielen und die Gespräche mit den Menschen im „Borgo“. Er hat sein Leben auch als Witwer gut bewältigt: Er war autonom, kochte, putzte, wusch, erledigte den Einkauf. Die gemeinsamen regelmäßigen Zeiten mit Pauli gaben ihm Halt und Sicherheit.


Tatta war ein Lebenskünstler: Er liebte das Schöne und Einfache, konnte genießen – die Natur, ein gutes Essen, einen guten Tropfen Wein und er war auch witzig. Er war in die Pfarrgemeinschaft Haslach integriert, viele wissen von seinen Ausflügen rund um die
Haslacher Hügel, die Kartenspiele auf Kohlern oder in der Pizzeria. In den letzten Jahren ist sein Radius immer kleiner geworden: Haslach, Gsies, Tscherms – wo seine Schwester Zita lebt,
mit der er im Alter wieder eine engere Beziehung pflegte – und Toscolano blieben wichtige Bezugspunkte.


Tatta war ein sensibler Mensch, der viele liebe Menschen – auch schon früh – verloren hat: seinen Vater schon als Kind; der Unfalltod seines ältesten Bruders Hansl mit nur vierzigJahren war ein Schock für alle in der Familie. Bald darauf starben seine Schwiegermutter und seine Mutter, meine beiden Großmütter, später dann auch seine Schwester Lisl und Mama. Tatta war ein liebenswürdiger und charmanter Mensch, manchmal auch eigensinnig. In den
letzten Jahren erzählte er immer mehr von seiner Gsieser Kindheit; er hat viel gelesen, besonders gerne Bücher über Südtirol und geschichtliche Themen. Auch die Geografie faszinierte ihn; den Fischers Almanach studierte er gründlich und bis zum Schluss war er an politischen Ereignissen interessiert. Das tägliche Zeitunglesen gehörte zu seinen Ritualen.


Er war ein leiser Mensch, ein bisschen traurig, stets elegant. Pauli und mich hat er immer bestärkt, den eigenen Weg zu gehen, was wir auch beide selbstbewusst und souverän tun. Seine schlichte und tiefe Herzlichkeit wird uns immer in Erinnerung bleiben. Danke, Tatta.


Heidi Hintner

Matthias Hintner

30.06.2017 um 12:22 Uhr von VRS Media

Ein Lebenslauf von Matthias Hintner,
verfasst und verlesen von seiner Tochter Heidi Hintner
bei der Verabschiedung in der Pfarrkirche St. Gertraud in Haslach/Bozen
am 27. Juni 2017


Der plötzliche Tod ist für die Hinterbliebenen ein Schock. In der alten Tradition galt der „plötzliche“ Tod als Gnade. Ohne Ankündigung steht also Gevatter Tod auf einmal da und sagt: „So, jetzt komm mit!“ Gnade also. Dieser Gedanke ist hilfreich.


Ich denke, Tatta hätte eine Freude und auch eine gute Portion Vaterstolz, wenn ich von seinem Leben zwischen Gsies, Bozen und Toscolano am Gardasee – am Gardameer, wie wir
in der Familie immer sagten – kurz erzähle. Deswegen mache ich das jetzt hier und hoffe, dass ich gut durchkomme.


Eine Sprache für den Schmerz finden und dadurch ein Recht herstellen, auch das Recht der Schwäche. Ich danke, dir Tatta, für deine Nähe, deine Präsenz, deine Herzlichkeit, sie war
gut. Sie war Stärke. Auch wo sie leise war.


Saluto anche gli amici di papà di madrelingua italiana che sono venuti da Toscolano e quelli
di Bolzano ringraziandovi di cuore per la grande vicinanza. So che avete apprezzato la gentilezza, la simpatia e la discrezione di papà. Era una persona molto speciale che aveva sempre una buona parola e un sorriso per tutte e tutti. Grazie di essere qui. Adesso racconto
episodi importanti della vita di Matthias.


Matthias Hintner wurde am 9. Februar 1938 in St. Magdalena/Gsies als sechstes Kind geboren. Er hat drei Schwestern und zwei Brüder. Seine Mutter war Maria Huber; sein Vater Johann Hintner starb, als er zwei Jahre alt war. Die Mutto, eine junge Witwe, brachte ihre
sechs Kinder und den großen Kradorferhof mit der vielen und harten Arbeit gut weiter. Sie war fürsorglich und weitblickend und hatte für all ihre Kinder ein Sparbüchlein in Welsberg angelegt.


Tatta erzählte immer von einer schönen Kindheit in Gsies, vom Kiahhiatn mit Willi, davon, dass ihm die Katzn und Notscha nachgelaufen sind – er mit der Ziehorgel überm Buggl – er
erzählte von der Arbeit auf der Alm, der Zeit mit den Onkeln auf der Alm, auch vom Alleinsein dort oben, von seiner Angst als Kind vor Gewittern. Aber da gab es nichts: Er musste auf die Alm. „Bui, du musch la gian!“ sagte die Mutter. Butter und Käse machen, dem
Vieh nachlaufen, über Stock und Stein springen. Heuarbeiten.


Tatta besuchte bis 14 die Schule in St. Magdalena und war ein guter Schüler. In jungen Jahren brach er sich beim Viehhüten den Oberschenkelknochen, musste lange auf Hilfe und
Rettung im steilen Gelänge bei Regen warten und dann von der Alm, ins Tal, ins Dorf und dann nach Innichen gebracht werden, wo er zwei Monate mit Gewichten am Bein im Krankenhaus lag. Eine lebenslange Steifigkeit, die sich im Alter noch besonders bemerkbar
machte, war die Folge dieser schweren Verletzung.


1957 war er in Burgeis auf der Fürstenburg und besuchte einen Winter lang die landwirtschaftliche Schule, 1958 belegte er in Brixen einen theologischen Kurs. Als Jüngster hätte er Priester werden sollen, dazu fehlte ihm allerdings die Berufung. Die Sommer verbrachte er immer in Piddig auf der Alm. Dazu gibt es viele schöne Geschichten…


Wie Tatta von Gsies dann nach Bozen kam, ist eine besondere Geschichte und für seine Zeit eine völlig ungewöhnliche. Eine Migrationsgeschichte, die Mut und Offenheit erforderte.


1960 machte er den Wettbewerb bei der Stadtpolizei in Bozen – das muss für den jungen Gsiasa Bui sicher nicht einfach gewesen sein, in die große Stadt zu fahren, niemanden zu kennen, kaum Italienisch zu sprechen, ohne Bezugspunkte und Vorbilder zu sein. Er machte also die schriftliche Prüfung – das Thema konnte er gut bewältigen, weil es seinen Interessen entsprach: Wirtschaft und Tourismus in Südtirol. Und dann fuhr er zurück nach Gsies, auf die
Alm. Und weil der Brief mit der Einladung zur mündlichen Prüfung dort nie ankam, fragte er öfters bei der Mutto nach, … doch diese wusste nichts von einem Brief. Sie wollte ihren Jüngsten nämlich nicht ziehen lassen und hatte den Brief zurückbehalten. Tatta blieb
hartnäckig, bis die Mutter schließlich nachgab und den Brief aus ihrer Schürzentasche zog und ihn Tatta übergab.


Im Brief stand das Datum der mündlichen Prüfung in Bozen: Es war der darauffolgende Tag. Tatta fuhr also ohne weitere Vorbereitung sofort in die Stadt, die Mutto gab ihm das Sparbuch und ihren Segen mit, und er absolvierte eine gute Prüfung, die er als einziger
Deutschsprachiger bestand. Sein Italienisch war zwar noch schwach, „però lo imparerà!“, sagte der Commandante, der ihn förderte und bald auch sehr schätzen lernte.


Für zwei Monate wohnte Tatta in einem Zimmer in der Silbergasse, dann mietete er sich ein Zimmer in Quirein, nahe der Talfer, in die er in der Mittagspause auch gerne zum Abkühlen ging. In der Gummergasse in der „Cucina Bolognese“ ging er regelmäßig zum Mittagessen; dort machte er auch die ersten Bozner Bekanntschaften, knüpfte Freundschaften, die bis zu
seinem Tod anhielten.


Tatta hatte als einer der Ersten in Gsies ein Auto: einen blauen Fiat 750er, gekauft im Februar 1963. Da war er 25 Jahre alt. Die erste längere Fahrt ging in den Süden: gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Hansl und Otto fuhr er nach Venedig. Eine Spritzfahrt in die
Serenissima.


Ich erinnere mich an den roten VW Käfer, der dann später kam, als er schon seine eigene Familie gegründet hatte. Wir vier hatten eine starke Bindung und Beziehung. Ich schöpfe aus der Kraft, die mir mein Tatta und meine Mama gaben. Durch ihren Tod ist etwas von mir mit ihnen gegangen.


1965 lernte er unsere Mama in Rimini kennen, wo er mit einem Freund und dessen Freundin aus Niederdorf, die wiederum mit ihrer besten Freundin Luise dort war. Am Meer sprang zwar der Liebesfunke noch nicht über, aber bald danach. Die beiden heirateten 1967 und zogen in die Südtirolerstraße, wo sie ihr Heim einrichteten. Unsere Eltern verband eine tiefe Liebe, getragen von gegenseitigem Respekt und großer Wertschätzung. Mit Zuwendung und Hingabe war er Mama in ihrer schweren Krankheit nahe und begleitete sie liebe- und würdevoll bis zu ihrem Tod 2003.


1976 zogen sie nach Haslach, wo Tatta mit Viktor Gagliardi, unserem Nachbarn, der das Sterbelicht am Friedhof tragen wird, eine der treibenden Kräfte war, um den Aufbau des Kondominiums „Un Tetto/Ein Dach“ anzugehen (Viktor war Präsident und Tatta Vizepräsident): 12 deutsch- und italienischsprachige Familien unter einem Dach vereint. Das war ihm sehr wichtig. Über 40 Jahre solidarischer Zusammenhalt.


Ich erinnere mich an eine schöne Kindheit und Jugend hier in Haslach, in unserem Kondominium gab es Feste und Feiern, wir teilten Schönes und auch Trauriges. Tatta trainierte bei Mini-Volley achtjährige Kinder, hatte eine Leidenschaft fürs Schifahren, die er
auch Pauli weitergab. Stundenlang konnte er in der Garage Schi waxlen und sich der Pflege der Bretter hingeben. Seine Liebe zum Kartenspiel hielt bis zu seinem plötzlichen Tod am Gardasee, der uns alle überrascht und tief betroffen gemacht hat.


Tatta war außerdem Gärtner aus Leidenschaft: Er pflegte viele Jahre den Garten in Haslach, verbrachte viele Stunden beim Beregnen, Blumensetzen, Zäune- und Bäumeschneiden.


20 Jahre lang war er bei der Stadtpolizei und fast ebenso lang bei der Lebensmittel- und Marktpolizei. Er hatte den Ruf, ein strenger und gerechter Polizist zu sein, auch hilfsbereit und genau. Immer pünktlich, zuverlässig, verantwortungsvoll. „Poche parole, fatti.“ So
lautete einer seiner Sprüche.


1998 ging er in Pension und erfüllte sich mit Mama den Wunsch nach einer Wohnung am Gardameer. Gemeinsam konnten sie nur vier Jahre ihr Paradies zwischen Zypressen, Bergen und See genießen. Sonne, Bocciaspielen, schwimmen, bianchetto trinken, lachen. Gemeinschaft pflegen, Freundschaft leben. Als Witwer fuhr er auch regelmäßig dorthin und genoss die südliche Sonne, die Freundschaft mit dem Ehepaar Maridl und Luis Haller, das
Kartenspielen und die Gespräche mit den Menschen im „Borgo“. Er hat sein Leben auch als Witwer gut bewältigt: Er war autonom, kochte, putzte, wusch, erledigte den Einkauf. Die gemeinsamen regelmäßigen Zeiten mit Pauli gaben ihm Halt und Sicherheit.


Tatta war ein Lebenskünstler: Er liebte das Schöne und Einfache, konnte genießen – die Natur, ein gutes Essen, einen guten Tropfen Wein und er war auch witzig. Er war in die Pfarrgemeinschaft Haslach integriert, viele wissen von seinen Ausflügen rund um die
Haslacher Hügel, die Kartenspiele auf Kohlern oder in der Pizzeria. In den letzten Jahren ist sein Radius immer kleiner geworden: Haslach, Gsies, Tscherms – wo seine Schwester Zita lebt,
mit der er im Alter wieder eine engere Beziehung pflegte – und Toscolano blieben wichtige Bezugspunkte.


Tatta war ein sensibler Mensch, der viele liebe Menschen – auch schon früh – verloren hat: seinen Vater schon als Kind; der Unfalltod seines ältesten Bruders Hansl mit nur vierzigJahren war ein Schock für alle in der Familie. Bald darauf starben seine Schwiegermutter und seine Mutter, meine beiden Großmütter, später dann auch seine Schwester Lisl und Mama. Tatta war ein liebenswürdiger und charmanter Mensch, manchmal auch eigensinnig. In den
letzten Jahren erzählte er immer mehr von seiner Gsieser Kindheit; er hat viel gelesen, besonders gerne Bücher über Südtirol und geschichtliche Themen. Auch die Geografie faszinierte ihn; den Fischers Almanach studierte er gründlich und bis zum Schluss war er an politischen Ereignissen interessiert. Das tägliche Zeitunglesen gehörte zu seinen Ritualen.


Er war ein leiser Mensch, ein bisschen traurig, stets elegant. Pauli und mich hat er immer bestärkt, den eigenen Weg zu gehen, was wir auch beide selbstbewusst und souverän tun. Seine schlichte und tiefe Herzlichkeit wird uns immer in Erinnerung bleiben. Danke, Tatta.


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